#3 internil

NUR MEHR BESIEGTE – Postpolitisches Theater in der Kopiermaschine Internet

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In den vergangenen Jahren haben sich mit der Entwicklung neuer sozialer Medien auch Art und Ausmaß des politischen Engagements von Bürgerinnen und Bürgern geändert: Defensive „Politikverdrossenheit“ kippt zunehmend in aktive Demokratiefeindlichkeit. Während dabei im Zusammenhang mit dem Internet viel von Echos, Blasen, Kammern und großen Gefühlen die Rede war, wird über die Theatralität dieser Phänomene zumeist eher abschätzig und am Rande gesprochen. Doch gerade die darstellenden Künste sollten aufmerksam beobachten, wo und wie sich das neue politische Theater abspielt und was es sagt.

So feiert auf den Bürgerbühnen der großen Internetplattformen seit Jahren die politische Rede ihr Comeback auf dem Marktplatz der Meinungen: Jede „Expertin des Alltags“ kann auf Facebook zur Chor-Führerin ihrer Follower werden, jeder „Talking Head“ auf YouTube zum politischen Entertainer der Stunde. Gleichzeitig schlägt die Kritik an „denen da oben“ und ihrem (post)demokratischen Repräsentationsanspruch nicht nur als Demonstrationen und „Bürgerinitiativen“ auf die Straße zurück, nicht nur als identitäre Intervention in die „Safe Spaces“ vermeintlicher liberaler Diskurshoheit, sondern auch als episches Realtheater in eine insgesamt sich virtualisierende Wirklichkeit.

Insbesondere die schnell wachsenden Szenen von Reichsbürgern, Verschwörungsgläubigen und Souveränisten versuchen, dem vermeintlichen Theater der demokratischen „Politikdarstellern“ mit seinen eigenen Mitteln den Garaus zu machen. Ihre Reklamierung authentischer Menschlichkeit ist deswegen um so theatraler: Kostümiert mit vermeintlichen Polizeiuniformen, ausgestattet mit erfundenem Geld, legitimiert mit Dokumenten von auf hollywoodesk inszenierten Krönungszeremonien proklamierten Staaten erklären sie den künstlichen Verhältnissen in einer zerrspiegelnden Dauerperformance einen Krieg, der so lange wie absurde Donquichotterie wirkt, bis jemand schießt und jemand anders stirbt.

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Marina Miller Dessau und Arne Vogelgesang beobachten und bearbeiten als Mitglieder des Theaterlabels internil diese Entwicklungen seit mehreren Jahren. Ihr performativer Vortrag geht mittels Beispielen und Nachspielen auf eine Reise von der politischen Egomaschine des Vlogs bis in den post-ironischen Faschismus der neuen rechten Trollfront.

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ABOUT

Der internil Verein zur Untersuchung sozialer Komposition arbeitet seit mehr als dreizehn Jahren kontextbezogen und pseudopartizipativ mit einer großen Bandbreite an Ausgangsmaterialien: Architektur, Graffiti, Musik, Video, Fernsehen, Literatur, Internet. In den letzten Jahren hat sich das Label auf die Aneignung von recherchiertem Internetmaterial spezialisiert, mit besonderem Fokus auf politischen Diskursen und Propaganda.

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EINDRÜCKE
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REIHEN WEISE FREMD | STRANGE IN SERIES
Eine Forschungsreihe der Juniorprofessur Theaterwissenschaft
#3 Marina Miller Dessau & Arne Vogelgesang (internil): Nur mehr Besiegte | Performance Lecture
5.12.2018 | 17 Uhr | Geschwister-Scholl-Haus | Ritterstraße 8-10 | Leipzig

Diese Veranstaltung ist zugleich Auftakt der Reihe GESTISCH LEBEN! preparing BRECHT UNTER FREMDEN, einer Veranstaltungsreihe des Centre of Competence for Theatre (CCT) und des Instituts für Theaterwissenschaft der Universität Leipzig in Vorbereitung des internationalen wissenschaftlich-künstlerischen Symposiums BRECHT UNTER FREMDEN / BRECHT AMONG STRANGERS im Juni 2019 in Leipzig.

Diese Veranstaltung findet statt im Rahmen des Netzwerks Kritische und Weltoffene Universität.

Weitere Informationen:

Institut für Theaterwissenschaft Leipzig
GESTISCH LEBEN!

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